Das BG über Familienzulagen aus der Sicht der Verbandsausgleichskassen

Bereits heute sind die verbandlichen Familienausgleichskassen
in aller Regel (soweit die Kantone dies zulassen) gesamtschweizerisch tätig. Die mit dem neuen Bundesgesetz verbundene Harmonisierung der 26 kantonalen Familienzulagenregelungen auf gewisse gesamtschweizerische Mindestandards sollte deshalb eigentlich den überkantonal ausgerichteten Verbandsausgleichskassen entgegenkommen. Ob die gewünschte schweizweite Vereinfachung in der Durchführung
letztlich erreicht werden kann, hängt aber zu einem guten Teil von der Ausgestaltung der kantonalen Einführungsgesetze ab.

Das schweizerische Kinderzulagenwesen war bislang
(mit Ausnahme der Spezialgesetzgebung für die Landwirtschaft)
rein kantonal geregelt. Es wird einerseits von zumeist gesamtschweizerisch ausgerichteten Verbandskassen
durchgeführt und anderseits von 26 kantonalen Kassen, welche jene Firmen in ihrem Kantonsgebiet betreuen, die nicht über verbandliche Familienausgleichskassen abrechnen. Sinn und Zweck der verbandlichen Ausgleichskassen ist es, die Durchführung der gesetzlichen Sozialversicherungen für ihre Mitglieder zu erleichtern, indem sie ihnen im Sinne eines Onestop-
shops sämtliche Dienstleistungen der gesetzlichen Sozialwerke (AHV/IV/EO/ALV/BVG und Familienzulagen) aus einer Hand anbieten. Diese Angebotspalette wird oft noch ergänzt durch Dienstleistungen, die sich aus gesamtarbeitsvertraglichen Verpflichtungen der Branche ergeben, etwa im Bereich der Berufsbildung. Zur One-stop-shop-Philosophie der Verbandsausgleichskassen gehört auch, dass die landesweit tätigen Mitgliedfirmen die 26 unterschiedlichen kantonalen
Familienzulagenordnungen über einen einzigen Ansprechpartner,
ihre Verbandsausgleichskasse, abwickeln können.

Begrenzte harmonisierende Wirkung

Als patronale Selbsthilfeorganisationen der Wirtschaft waren die privaten Kassen immer eng an den Bedürfnissen ihrer Mitglieder orientiert. Bis zum Jahr 1965 wurden sukzessive in allen Kantonen Familienzulagengesetze eingeführt, mit der Folge, dass der Freiraum der verbandlichen Familienausgleichkassen für kundenorientierte Lösungen heute kantonal sehr unterschiedlich
ist. Wer nun glaubt, dass mit dem neuen Bundesgesetz
über Familienzulagen, welches per 1. Januar 2009 in Kraft tritt, eine umfassende Harmonisierung im Sinne auch einer organisatorischen Vereinfachung der Abwicklung verbunden ist, sieht seine Hoffnung nur teilweise erfüllt.

Positiv ist hervorzuheben, dass die massgebenden Begriffe
des Familienzulagenwesens nun einheitlich definiert werden und einheitliche Koordinationsregeln gelten. So werden beispielsweise die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Ausbildungszulagen harmonisiert. In Zukunft besteht ein Anspruch auf diese Zulage für Jugendliche, die eine gemäss AHV-Gesetzgebung anerkannte Ausbildung absolvieren und dabei allenfalls ein monatliches Einkommen erzielen, das nicht höher
als die maximale volle Altersrente ist. Mit dieser überfälligen
Koordinationsnorm ist der heutige kantonale Wildwuchs wirkungsvoll eliminiert. Erfreulich ist auch, dass gesamtschweizerisch tätige Firmen künftig die Kinderzulagen in der ganzen Schweiz über eine einzige AHV-Verbandsausgleichskasse durchführen können. Bisher war es vielen Verbandskassen aufgrund restriktiver kantonaler Zugangsregelungen in einzelnen Kantonen praktisch verwehrt, tätig zu sein, was die Mitgliedfirmen zwang, je nach Kanton über verschiedene Kassen abzurechnen. Künftig müssen die Kantone aufgrund des neuen Bundesrechts alle von AHV-Kassen geführten
Familienausgleichskassen zulassen. Abgesehen von diesen Fortschritten ist die harmonisierende Wirkung des Bundesgesetzes über die Familienzulagen insgesamt aber doch sehr begrenzt:

  • Die Kantone bestimmen die Ansätze der Kinder- und
    Ausbildungszulagen; sie können dabei über die Minimalansätze des Bundesgesetzes (von Fr. 200/250) hinausgehen.
  • Sie können Geburts- und Adoptionszulagen einführen (oder es auch lassen).
  • Sie regeln die Organisation und Finanzierung und üben die Aufsicht über die im Kanton tätigen Familienkassen aus.
  • Sie können einen kantonalen Lastenausgleich zwischen den Kassen einführen.

Beschnittene Finanzierungsautonomie

Inwieweit das Bundesgesetz seine harmonisierende Wirkung entfalten kann, hängt somit zu einem guten Teil von der Ausgestaltung der kantonalen Einführungsgesetze ab. Die bis anhin in die Vernehmlassung geschickten kantonalen Vorlagen bewirken entgegen den Intentionen des Bundesgesetzes nun leider statt einer Vereinheitlichung eher eine Kantonalisierung des Kinderzulagenwesens, indem die verbliebenen kantonalen Kompetenzen, namentlich in Finanzierungs- und Organisationsfragen, weit stärker ausgeschöpft werden als bis anhin. Die gesamtschweizerisch tätigen Verbandsausgleichskassen sehen sich vor allem in ihrer Finanzierungsautonomie beschnitten:

  • So sehen die meisten Kantone neu einen kantonalen Lastenausgleich vor. Damit werden die bisherigen landesweiten Risikogemeinschaften der Verbandskassen unnötigerweise kantonalisiert und pulverisiert.
  • Es ist zu befürchten, dass die landesweit tätigen Verbandskassen künftig im Extremfall bis zu 26 Kassenrechnungen und -bilanzen führen müssen. Dies ist auch eine Zumutung für die angeschlossenen Firmen,
    denn diese müssen – wenn sie in mehreren Kantonen tätig sind – in ihren Buchhaltungen die Lohnsummen künftig zusätzlich kantonal ausscheiden. Dies einzig und allein, damit der kantonale Lastenausgleich durchgeführt werden kann: ein echter Rückschritt!
  • Zusätzlich zu den bundesgesetzlich vorgeschriebenen Schwankungsreserven der Kassen (zwischen 20 und 100% einer Jahresausgabe) sehen gewisse Einführungsgesetze plötzlich kantonale Lastenausgleichsfonds vor, in welche die im jeweiligen Kanton tätigen Kassen einen substanziellen Teil ihrer Vermögen abführen müssen. Diese kantonalen Lastenausgleichsfonds sind – neben den bundesgesetzlich vorgeschriebenen Schwankungsreserven der Kassen – eine sinnlose und überflüssige Doppelspurigkeit.

Die nun absehbare Kantonalisierung der finanziellen Aspekte der Durchführungsorganisation generiert lediglich Kosten (Mittelumverteilung), aber keinen Nutzen: Aufgrund von kantonalen Ausgleichszahlungen wird keine einzige Zulage zusätzlich ausgesprochen, die auszuzahlenden Zulagen werden durch den Umverteilungs- und Kontrollaufwand lediglich verteuert. Kantonale Lastenausgleichsysteme zwischen den Kassen sind auch deshalb problematisch, weil damit die Anreize der Familienausgleichskassen zu einem kostenbewussten Umgang mit Auszahlungen wegfallen. Heute hat jede Familienausgleichskasse ein Eigeninteresse daran, die Auszahlungen streng und genau auf ihre Berechtigung hin zu überprüfen. Damit hält sie die Prämien tief und wahrt ihre Konkurrenzfähigkeit. Ein kantonaler Lastenausgleich setzt diesen Mechanismus ausser Kraft: ungenügende Kontrolle oder ungesetzlich grosszügige Leistungen haben keinen Wettbewerbsnachteil für die Kasse in Form höherer Prämien zur Folge. Um dennoch eine gesetzestreue Durchführung zu gewährleisten, müss(t)en Kantone mit Lastenausgleich einen teuren Kontrollapparat aufbauen. Es wird in den nächsten Monaten die Aufgabe der Verbandskassen und ihrer Gründerverbände sein, im Rahmen der einzelnen kantonalen Gesetzgebungsverfahren einer Kantonalisierung des organisatorischen und finanziellen Bereichs des Kinderzulagenwesens entgegenzuwirken.

Fehlendes Zentralregister

Dass sich politischer Einsatz auszahlt, zeigt der von den Kassen auf einer anderen durchführungspolitischen Bausstelle des neuen Bundesgesetzes erzielte Erfolg: Eine von Verbandskassenleiter und (alt) Nationalrat Andreas Zeller am 3.10.2007 eingereichte Motion zur Verhinderung von Mehrfachbezügen (von Kinderzulagen), wurde am 21.12.2007 vom Nationalrat angenommen. Zuvor hatte bereits der Ständerat der analogen Motion Schiesser zugestimmt. Damit kann die rechtliche Grundlage geschaffen werden, um ein zentrales Bezüger- und Kinderregister einzurichten. Bisher war es nicht möglich, Doppel- oder Mehrfachbezüge von Kinderzulagen festzustellen, weil ein Zentralregister fehlte. Mit dem neuen Bundesgesetz hätte sich das Schadenspotenzial von Mehrfachbezügen drastisch erhöht, weil gemäss dem Grundsatz «ein Kind, eine Zulage» neu schon bei Teilpensen ab geringer Einkommensschwelle nur noch volle Zulagen ausbezahlt werden. Mit der Einrichtung eines Zentralregisters dürfte in letzter Minute gerade noch eine Schwachstelle des neuen Bundesgesetzes ausgebügelt werden. Hoffen wir, dass auch in Bezug auf den Lastenausgleich in den kantonalen Einführungsgesetzen noch Korrekturen möglich sind, damit letztlich die Bilanz zum neuen Familienzulagengesetz des Bundes positiver ausfällt, als es momentan den Anschein macht.